Jules Schelvis
Erst einmal lernt man ihn als Historiker kennen. Sein Buch, "Vernichtungslager Sobibór", wurde 1993 in den Niederlanden veröffentlicht. 1998 erschien es in Deutschland. Es ist ein Standardwerk und eine der wenigen wissenschaftlichen Publikationen zur Geschichte des Vernichtungslagers. Autor ist Jules Schelvis, Überlebender von Sobibór.
Seine ganz persönliche Geschichte steht für ihn jedoch weniger im Mittelpunkt. Mit Informationen über sein eigenes Schicksal geht er sparsam um. Er will nicht als Zeitzeuge sprechen, sondern als Wissenschaftler.
Dabei stand er im Juni 1943 selbst auf der Rampe von Sobibór. Zusammen mit seiner Frau und deren Familie. 1946 wird in Den Haag festgestellt, dass Jules Schelvis der einzige Überlebende von jenen 3.000 Menschen ist, die im Juni 1943 aus den Niederlanden nach Sobibór verschleppt wurden.
Gleich nach seiner Ankunft in Sobibór wird Jules Schelvis zur Arbeit in einem Torflager bestimmt. Über Lublin und das Ghetto Radom kommt er schließlich nach Auschwitz. Und entgeht zum zweiten Mal dem Vergasungstod: er wird zur Arbeit nach Deutschland geschickt. Am 8. April 1945 schließlich befreien ihn die Alliierten in der Nähe von Stuttgart.
In der Zusammenarbeit mit Jules Schelvis konnten wir viel lernen. Nicht nur über die Geschichte des Vernichtungslagers Sobibór. Auch über den Umgang mit Informationen, über ihre selbstverständliche Weitergabe, weil es um Information und nicht um Prestige geht, und über Hilfsbereitschaft. Und wir haben einen Überlebenden kennen gelernt, für den die eigene Geschichte zwar Anlass ist, der sich aber gleichzeitig weitergehend verantwortlich fühlt. Verantwortlich für Aufklärung. Verantwortlich für die Geschichte der 34.000 niederländischen Jüdinnen und Juden, die in Sobibór ermordet wurden.