Der vierte Wettbewerb, den das Bildungswerk Stanisław Hantz mit dem Schulverbund Maria Konopnicka in Izbica im Jahr 2012 durchführte, fand erneut unter dem Motto der Erinnerung an das jüdische Izbica statt. Die Schüler_innen näherten sich in literarischen, historischen und künstlerischen Arbeiten der Vergangenheit ihrer Stadt.
Seit über zehn Jahren arbeitet das Bildungswerk Stanisław Hantz mit der Maria Konopnicka Schule in Izbica (Zespół Szkól im. Marii Konopnickiej w Izbicy) zusammen. Am 1. Oktober wurden die Gewinnerinnen und Gewinner der literarischen, historischen und künstlerischen Arbeiten ausgezeichnet. Alle Schülerarbeiten beschäftigen sich mit der jüdischen Vergangenheit des ehemaligen Durchgangsghettos Iziba. Die Preisverleihung fand während der Fahrt des Bildungswerks Stanisław Hantz zur Aktion Reinhardt statt. Die Preisträgerinnen präsentierten der Gruppe ihre Werke.
Hier das Bild von Patricya Nagaj, die Arbeit, die den ersten Preis der künstlerischen Arbeiten gewann:
Die Gewinnerin des ersten Preises für historische Arbeiten, Klaudia Jaworska, las einen Ausschnitt aus ihrer Arbeit über Halina Blaszczyk. Halina Blaszczyk wurde von Yad Vashem als Gerechte der Völker der Welt ausgezeichnet, da ihre Familie in Izbica einen jüdischen Jungen versteckte. Hier ein Ausschnitt aus ihrer Arbeit:
Thema: „Wer ein Leben rettet…“ Die Geschichte von Halina Błaszczyk, einer Gerechten unter den Völkern dieser Welt
„(…) Die Familie von Frau Błaszczyk kannte die Familie von Henoch Lipszyc bereits vor dem Krieg. Die Lipszyces wohnten in Izbica in der Targowa-Straße. Henochs Mutter buk Zwiebelbrote, die sie dann verkaufte und Henoch ging zur Mühle von den Eltern von Frau Blaszczyk um Mehl zu holen. Er hatte das gleiche Alter als Frau Blaszczyk, war jedoch für sein Alter klein und schmal. Er war kein typischer Jude. Er hatte helle Augen und dunkelblonde Haare. Frau Blaszczyk erinnerte sich so: „Er war ein gewöhnlicher Junge in abgewetzten Hosen. Ihn verrieten nur seine verängstigten und ausgehungerten Augen“. Henochas Mutter wurde bei den Razzien im Jahr 1942 aufgegriffen und landete im Vernichtungslager Belzec. Die Brüder Lipszyc versteckten sich zu der Zeit und als ihre Mutter nach Bełżec deportiert worden war, brachte ihn der ältere Bruder zur Frau Blaszczyk (aus dem Haus Barbiarz). Tagsüber arbeitete Henoch bei den Barbiarz als Hirte, für die Nacht kehrte er in das Haus seines Bruder zurück – für die Arbeit bekam er Essen. Am 1. 11. 1942 fand die große Razzia in Izbica statt. Während der Aktion wurden die Brüder Lipszyc mit anderen Juden gefasst. Sie mussten sich alle auf eine Wiese bei der Eisenbahnstation in Izbica hinsetzen. Über diese Wiese trieben die Deutschen die Leute zum Bahnhof. Die Juden warteten zwei Tage auf die Waggons. Sie saßen dort ohne Essen und Wasser. Der Gestapomann Engels ritt zwischen ihnen auf einem Pferd herum, bei ihm war ein „Schwarzer“ und befahl, Gold und Wertgegenstände in einen Eimer zu werfen. Nach drei Tagen, als der Zug nicht kam, schlossen die Deutschen all diese Leute ins Gebäude des Kinos ein. In dem Raum war es sehr eng, die zusammengetriebenen Leute konnten nur stehen. Das Haus der Familie Babiarz befand sich unweit von diesem Ort und die polnische Familie hörte das Piepsen, das Jammern und Schreien von den dort eingeschlossenen Juden. Abends floh der jüngere der Brüder Lipszyc aus dem Kino, auch wenn sie von der dunkelblauen polnischen Polizei bewacht wurden. Der Flüchtling ging zu der ihm gut bekannten Müllerfamilie uns klopfte ans Fenster. Die Entscheidung ihn zu verstecken wurde schnell von der Frau des Müllers, Kazimiera Babiarz getroffen, ohne sich zuvor mit ihrem Mann zu beraten, der gerade nicht zu Hause war. Zum Versteck Henochs wurde der Keller, in dem die Familie Kartoffeln aufbewahrte. Man bereitete ihm dort ein Lager. Abends schaffte man aus dem Versteck den Eimer mit dem Kot und unbemerkt von den Nachbarn brachte man ihm Essen. Lipszyc saß bis zum Frühjahr in dem Keller, danach zog er in ein nicht zu Ende gebautes Gebäude um, dass sich in der Nähe befand. Die Familie von Frau Blaszczyk stellte einen Wächter an, der die Mühle beaufsichtigte. Mit ihm unterhielt sich Henoch wenn er nachts aus seinem Versteck kam. So war es auch diesen Abend. Leider hörten die Deutschen, wie der Wächter mit Henoch sprach. Dies bestärkte ihre Überzeugung, dass die Müllerfamilie einen Juden versteckte. Die Nazis fanden das Lager, Lipszyc selbst jedoch konnte fliehen. Sie durchsuchten das ganze Haus und die Mühle. Henoch versteckte sich im Stall hinter den dort stehenden Kühen, die ihn verdeckten und die Deutschen fanden ihn nicht, obwohl sie ihn auch dort suchten. Der Wächter und der Müller wurden von den Deutschen geschlagen und die restliche Familie an der Wand aufgestellt. Sie wollten herausfinden, wo der jüdische Junge sich aufhielt. Glücklicherweise hielt sich zu diesem Zeitpunkt Engels grade nicht in Izbica auf, denn sonst wäre die gesamte Familie sicherlich erschossen worden. Der Vertreter von Engels war Klemm. Der Großvater von Frau Halina lud ihn ins Restaurant ein und bezahlte ihn für die Freilassung des Wächters, dem die Todesstrafe drohte. Nach der Durchsuchung floh Lypszyc, da er wusste, dass es zu gefährlich für ihn war und versteckte sich in Ostrzyca. Dort traf er Partisanen, bei denen er bis zum Kriegsende blieb. Bis heute weiß die Familie von Frau Halina nicht, wer es war, der die Information verriet, dass sich bei ihnen ein jüdischer Junge aufhielt. (…) Unsere Heldin nahm 1985 im Namen der ihren und ihrer Mutter, die aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation und ihres Alters nicht mehr in der Lage war soweit zu reisen die Medaille und das Diplom der Gerechten unter den Völkern der Welt entgegen. Bis heute hält sie den Kontakt mit Henoch, der nach dem Krieg nach Israel emigrierte (…) Ich finde, dass Frau Halina Blaszczyk sehr großen Mut zeigte, indem sie dem jüdischen Kind half und damit ihr eigenes Leben und das ihrer Familie gefährdete. In heutigen Zeiten macht niemand etwas uneigennützig, sicherlich würden also nicht viele ein solches Risiko auf sich nehmen. Ich denke, dass solchen Leuten wir Frau Blaszczyk, die die Konsequenzen nicht fürchtend, anderen geholfen haben, gedacht werden sollte, ihr Heldentum und ihr großer Mut gerühmt werden sollte. Um die Worte unserer Nobelpreisträgerin Wislawa Szymborska zu zitieren: „Wir wissen so viel über uns wie wir geprüft wurden“ weiß niemand wie er sich in einer solchen Situation verhalten würde. Würde man ein Leben retten, und das eigene gefährden? Oder vielleicht Gleichgültigkeit bei menschlichem Leiden zeigen? Auf diese Frage haben wir keine Antwort…“
Klaudia Jaworska, Izbica 2012
Der dritte Teil des Wettbewerbs bestand aus literarischen Arbeiten. Das Gedicht, das den ersten Preis gewann, schrieb Jakub Magdziak:
Icek’s glücklicher Tag
Über der Stadt erhebt sich blasses Morgengrauen
auf dem Weg fährt eine Kutsche
Der kleine Icek schaut durch die Scheibe
und sieht wie sein Vater Knöpfe verkauft
Morgen ist Sabbat.
Vater wird den Laden schließen.
Er wird Icek an der Hand nehmen
sie werden zur Synagoge gehen
und
eine Karte unter den Stein des Glücks legen.