Buchvorstellung „Fotos aus Sobibor: Die Niemann-Sammlung zu Holocaust und Nationalsozialismus“

Die Sammlung stammt aus dem Besitz des SS-Täters Johann Niemann. Der Regionalhistoriker Hermann Adams aus Ostfriesland war auf die Person Niemann aufmerksam geworden und hatte einen Nachfahren aufgespürt. Dieser überreichte ihm schließlich Fotos, die auch das Mordlager Sobibor zeigen. Hermann Adams nahm 2015 an unserer Reise zu den „vergessenen Orten der Aktion Reinhard“ machte uns auf die Bilder aufmerksam. Durch seine Vermittlung lernten wir den Enkel Johann Niemanns kennen. Er und Hermann Adams übergaben die Sammlung dem Bildungswerk. Neben den Einzelfotos aus Sobibor wurden uns sogar zwei Alben überreicht, in denen der SS-Mann alle seine Karriere-Stationen dokumentierte. Dieser einmalige Fund wurde in Kooperation mit der Forschungsstelle Ludwigsburg bearbeitet und nun veröffentlicht.

Am 28. Januar 2020 wurde die Sammlung der Öffentlichkeit übergeben und das Album mit den Fotos ist erschienen. Morgens fand eine Pressekonferenz statt und abends die Buchpräsentation in dem Dokumentationszentrum Topographie des Terrors in Berlin. Unten sind einige Fotos aus der Niemann-Sammlung und Eindrücke von der Pressekonferenz am 28. Januar zu sehen.

Wer war Johann Niemann?

Als Sohn einer Bauernfamilie kam er in Ostfriesland zur Welt. Nach einer Ausbildung zum Maler trat er bereits 1931 in die NSDAP und die SA ein. Ab 1934 war er im Wachdienst des Konzentrationslagers Esterwegen tätig, später kam er nach Sachsenhausen. Von hier wurde er 1939 nach Berlin befohlen und war ab Januar 1940 am Mordprogramm der sogenannten „Euthanasie“ beteiligt. In Grafeneck, Brandenburg und Bernburg ermordete er Menschen Gaskammern, die als vermeintlich physisch und psychisch unheilbar krank galten.

Im Herbst 1941 kam Johann Niemann in den Distrikt Lublin im besetzten Polen. Dort war er in einer kleinen Gruppe eines „Vorab-Kommandos“ am Bau des Mordlagers Bełżec beteiligt. Sein bei der „Euthanasie“ erworbenes Wissen über die Mordmethoden, überführte er nun in ein neues Mordprogramm mit ungeahnten Dimensionen. Nach den ersten Monaten Bełżec wurde er im Herbst 1942 nach Sobibor versetzt. In beiden Lagern war er in entscheidendem Maße am Auf- und Ausbau beteiligt und verantwortete auch die jeweiligen Mordbereiche.

Johann Niemann war der erste der deutschen Wachmänner, die am 14. Oktober 1943 von den jüdischen Gefangenen, die in Sobibor den Aufstand wagten, getötet wurde. Seine Foto-Sammlung, in der er über 10 Jahre Bilder von allen Stationen seiner Karriere zusammengetragen hatte, wurde als Teil seines Nachlasses der Witwe übergeben. In Völlen überdauerte sie mehr als 70 Jahre, bis zum Fund von Hermann Adams.

Das Bildungswerk Stanisław Hantz arbeitet seit mehr als zwanzig Jahren an den Orten dieser beiden Mordlager. Die gefundene Foto-Sammlung hat für unsere Arbeit einen unschätzbaren Wert und wird uns helfen, die Geschehnisse vor Ort auf neue Art und Weise darstellen zu können. Wir werden das Buch und die Bilder in der nächsten Zeit an verschiedenen Orten vorstellen und freuen uns über Anfragen. Auch auf den kommenden Reisen in die Region Lublin werden die Bilder eine wichtige Rolle spielen.

Am 6. Februar wird das Buch in der Villa ten Hompel in Münster vorgestellt. Siehe hier.

Hier kommen zunächst ein paar Fotos der Sammlung

Auf einem Paddelboot sitzen (v.l.n.r.) die "Brenner" Karl Pötzinger, Johann Niemann und Siegfried Graetschuss am Zaun der "T4"-Anstalt Brandenburg. Sommer 1940. Niemann notierte "Brandenburg" unter dem Foto
Auf einem Paddelboot sitzen (v.l.n.r.) die „Brenner“ Karl Pötzinger, Johann Niemann und Siegfried Graetschuss am Zaun der „T4“-Anstalt Brandenburg. Sommer 1940. Niemann notierte „Brandenburg“ unter dem Foto
Trawniki bei demonstrativen Schießübungen im Hof der Kommandantur des Mordlagers Belzec. Frühjahr 1942
Trawniki bei demonstrativen Schießübungen im Hof der Kommandantur des Mordlagers Belzec. Frühjahr 1942
Eingangstor des Mordlagers Sobibor. Frühjahr 1943. Deutlich zu sehen sind die Kiefernzweige, die jüdische Gefangene in den Zaun flechten mussten, um die Zusicht ins Lager zu erschweren.
Eingangstor des Mordlagers Sobibor. Frühjahr 1943. Deutlich zu sehen sind die Kiefernzweige, die jüdische Gefangene in den Zaun flechten mussten, um die Zusicht ins Lager zu erschweren.
Von einem Wachturm aufgenommene Übersicht über Lager I und das Vorlager im Hintergrund, Frühsommer 1943. Neben der Baracke am linken Bildrand und im Vordergrund zwischen den Brennholz-Stapeln ist jeweils ein jüdischer Zwangsarbeiter zu erkennen. Rechts im Durchgang zwischen den Lagerzäunen patrouillieren zwei Trawniki, in der Verlängerung der Umzäunung ist das helle Dach des Bahnhofsgebäudes sichtbar.
Von einem Wachturm aufgenommene Übersicht über Lager I und das Vorlager im Hintergrund, Frühsommer 1943. Neben der Baracke am linken Bildrand und im Vordergrund zwischen den Brennholz-Stapeln ist jeweils ein jüdischer Zwangsarbeiter zu erkennen. Rechts im Durchgang zwischen den Lagerzäunen patrouillieren zwei Trawniki, in der Verlängerung der Umzäunung ist das helle Dach des Bahnhofsgebäudes sichtbar.

Visuelle Eindrücke der Pressekonferenz am 28. Januar 2020

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