Die Biografien ehemaliger KZ-Häftlinge reduzieren sich nicht auf die Zeit in deutschen Konzentrationslagern. Viele, als junge Menschen inhaftiert, hatten nach ihrer Befreiung das Leben noch vor sich. Ein Leben mit der Hypothek des Überlebens. Wirklich verstehen kann sie nur derjenige, der Gleiches erlebt hat. So ist es nicht Vereinsmeierei, wenn sich ehemalige Häftlinge deutscher Konzentrationslager, in einem Verband zusammengeschlossen haben.
Über unsere Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Auschwitz-Häftling Stanisław Hantz, haben wir den Club in Zgorzelec kennengelernt. Die polnische Stadt Zgorzelec liegt, nur von einer Brücke getrennt, direkt gegenüber dem sächsischen Görlitz.
Club nennen die ehemaligen Häftlinge ihren Verein. Vor zwanzig Jahren wurde er von Stanisław Hantz ins Leben gerufen. Über 120 Frauen und Männer zählten damals zu seinen Mitgliedern. Der Club in Zgorzelec hat eigene Räume. An der Wand hängt eine Übersichtskarte aller NS-Konzentrationslager in Europa. Rote Punkte markieren die einzelnen Haftstätten der Club-Mitglieder: Mauthausen, Stutthof, Ravensbrück, Majdanek, Buchenwald, Groß-Rosen, Auschwitz. Einmal in der Woche treffen sich die Mitglieder des Clubs. Sie trinken Tee und sprechen über ihre Probleme. So wurden gemeinsam die Antragsformulare für die Entschädigungszahlungen ausgefüllt. Der Club hat sich bemüht, fehlende Unterlagen für die Anträge zu beschaffen.
Zu den Treffen kommt mittlerweile auch immer ein Arzt und hält in einem kleinen Nebenraum seine Sprechstunde ab. Die Miete für die Räumlichkeiten, die Unkosten für den Arzt, die Ausgaben für Heizung und Strom muss der Club selber finanzieren. Durch Mitglieder oder Spenden. Unterstützung vom deutschen oder polnischen Staat erhält der Club nicht. Einen Teil der Mitgliederbeiträge überweisen sie nach Warschau, an den Landesvorstand der Interessenvertretung ehemaliger Häftlinge deutscher Konzentrationslager.
Mit seinen Möglichkeiten unterstützt das Bildungswerk Stanisław Hantz den Club in Zgorzelec. Bei der Zusammenarbeit mit dem Club ist es für uns ein Anliegen, nicht als abstrakte Unterstützer aufzutreten. Im Mittelpunkt stehen die persönlichen Gespräche, das Zusammentreffen mit diesen Menschen. Seit 1998 veranstalten wir Ausflüge mit dem Club. Dazu sind auch immer Interessierte aus Deutschland eingeladen. Zusammen besuchten wir u.a. Wroclaw, das Riesengebirge oder die Gedenkstätte des KZ Groß-Rosen. Diese Begegnungen sind für alle Beteiligten beeindruckend. Die Frauen und Männer des Clubs erfahren, dass ihr Leid im Land der Täter nicht von allen vergessen ist. Dass die Auszahlung der Entschädigung kein Schlussstrich unter dem Interesse an ihrem Schicksal ist. Wir erleben Menschen, die erzählen, wie ihr Leben nach der Befreiung weiter ging. Im Laufe der Jahre haben auch Ehepartner, Kinder, Enkelkinder der Club-Angehörigen an den Ausflügen teilgenommen.
Das Bildungswerk Stanisław Hantz hat den Club der ehemaligen politischen Häftlinge in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern zwanzig Jahre lang unterstützt. Im Sommer 2018 wurde der Club aufgelöst – die Mitglieder waren mittlerweile fast alle verstorben.
Das Bildungswerk Stanisław Hantz e.V. hat jetzt eine Broschüre veröffentlicht, in der die Zusammenarbeit mit dem Club dokumentiert ist.