Leon Weintraub

„Ich bin kein Opfer, ich bin ein Sieger!“ – dieser Satz Leon Weintraubs charakterisiert prägnant seine Haltung zum Leben, wie sie auch auf dem Foto eindrucksvoll zur Geltung kommt: Aufrecht!

In Nürnberg steht Leon Weintraub vor der Zeppelinhaupttribüne des ehemaligen Reichsparteitags-Geländes. Hier nahm Adolf Hitler Paraden ab und sprach zu den Massen. Der von Albert Speer entworfene Bau galt als Vorzeigeprojekt der Herrschaftsarchitektur des Nationalsozialismus.

Leon Weintraub wurde 1926 in Lodz geboren. Vier Jahre seiner Jugend musste er im Ghetto Litzmannstadt verbringen. Im August 1944 wurde er mit seiner Familie nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Als sogenannter Depothäftling verbrachte er einige Wochen in Birkenau bis er sich, einem spontanen Entschluss folgend, einem Transport von Arbeitshäftlingen nach Groß-Rosen anschließen konnte. Die Lager Flossenbürg und Natzweiler-Struthof/Offenburg waren weitere Stationen seines Leidensweges. Bei seiner Befreiung wog er nur noch 35 Kilo und war an Typhus erkrankt.

Ab 1946 studierte er in Göttingen Medizin. In Warschau und Otwock praktizierte er als Frauen- und Geburtsarzt. Als Reaktion auf den zunehmenden Antisemitismus in Polen emigrierte er 1969 mit seiner Familie nach Schweden, wo seither lebt.

Leon Weintraub ist regelmäßiger und gern gesehener Gast bei Gedenktagen in Flossenbürg und Auschwitz, sowie zum Jahrestag der Ghetto-Liquidierung in Lodz.

In Dobra, einem kleinen polnischen Städtchen in der Nähe von Chelmno, hat Leon Weintraub den dortigen, ehemals verwahrlosten jüdischen Friedhof wieder zu einem würdigen Erinnerungsort gestalten lassen.

Leon Weintraub

Wir schätzen uns sehr glücklich, dass er seit 2015 unsere jährliche Bildungsreise nach Lodz zum ehemaligen Ghetto Litzmannstadt und zum Vernichtungslager Kulmhof/Chelmno begleitet und bereichert. Die Begegnung mit diesem freundlichen, humorvollen und herzlichen Menschen, der trotz seiner über 90 Jahre immer noch voller Energie steckt, ist für uns wie für alle Teilnehmer/innen immer wieder ein Erlebnis.

Kurz und zusammenfassend kann ich sagen, dass ich, erstens, so sehr vom Gefühl AM LEBEN ZU SEIN erfüllt war, dass ich keine deutliche und STÖRENDE Traumata bei mir gemerkt habe. Und zweitens, die Intensität des JETZT, das Vorhaben, der Entschluss, das Studium der Medizin anzufangen, sowie die große Anstrengung und der Einsatz, dieses Studium erfolgreich zu beenden, haben mich so voll und ganz in Anspruch genommen, dass es da kaum ‚Platz und Zeit‘ gab für Selbstmitleid und Trauern über all das, was mir unter diesen schweren Jahren, der Zeit der DEHUMANISIERUNG, der ENTWÜRDIGUNG im Getto-Litzmannstadt, Auschwitz und den anderen KZ-Lagern angetan wurde. Dies war mein Überwinden und Bewältigen. Im Alter von 89 Jahren finde ich, dass es mir gelungen ist, ein würdiges Leben gelebt zu haben, dass ich hoffe, noch einige Jahre weiter zu GENIESSEN. Denn ich bin froh, dass ich lebe und noch einigermaßen aktiv sein kann.

Leon Weintraub, 2015.
Nach oben scrollen