Łódź

Das Getto Litzmannstadt, von den deutschen Besatzern in der polnischen Stadt Łódź errichtet, war das erste Großgetto auf polnischem Boden, und es hatte am längsten Bestand. Erst im August 1944 wurde es als letztes jüdisches Getto aufgelöst und die bis dahin überlebenden Juden*Jüdinnen wurden nach Auschwitz deportiert.

Archiv

Archiv Lódź
Foto: Bildungswerk S.H., 2014
Lódź, Blick aus einem Fenster des Archivs
Blick aus einem Fenster des Archivs auf eine der Gettobrücken und die Marienkirche.

Dieses Gebäude beherbergte das Archiv, die statistische Abteilung des Gettos, die Fotoabteilung und die Gettopost.

Vor allem wurde hier aber die Ghettochronik geschrieben, eine Tag-für Tag-Chronik, die von Januar 1941 bis zur Auflösung des Gettos im August 1944 die Ereignisse im Getto dokumentierte.

Eine Zeitung ohne Leser*innen, eine Geschichtsschreibung für „künftige Gelehrte“, während die Geschichte passierte.

„Nach dem Willen des Präses sollte diese Dienststelle in aller Stille das Material für eine künftige Schilderung (Geschichte) des Gettos sammeln und selbst entsprechende Aufzeichnungen machen“

Oskar Singer

Kripo

Kripo, Rotes Haus, Lódź
Foto: Bildungswerk S.H., 2021

Das Rote Haus, ehemals das Pfarramt der benachbarten Marienkirche, war in Gettozeiten der Sitz der Kripo.

Etwa 25 Beamte, meist sogenannte „Volksdeutsche“ aus Lodz hatten vor allem die Aufgabe, mit Spitzeln, Foltern und Erpressung die verbliebenen Vermögensbestände der Jüdinnen*Juden aufzuspüren und zu rauben.

„Das rote Haus war der Schreck der reichen Juden. Die Kripo hatte nämlich die Aufgabe, reiche Juden vorzuladen und sie so lange zu prügeln, bis sie ihr Vermögen hergaben. Es gab auch Juden, die der Kripo zutrugen, wer Vermögen hat. Diese Juden bekamen in der Kripo zu Essen. Man sagte in der Stadt, dass das ‚Rote Haus’ seine Farbe dem jüdischen Blut verdanke.“

Ein Überlebender

Kulturhaus

Kulturhaus, Lódź
Bildungswerk S.H., 2014

Im Kulturaus, einem ehemaligen Kino, fand bis zu seiner Schließung im August 1943 ein bedeutender Teil des kulturellen Lebens im Getto statt. Die hier regelmäßig stattfindenden Konzerte, Revuen und Theateraufführungen, manche auch für Kinder, waren sehr beliebt.

„Das prunkvolle Wort ‚Kulturhaus’ erstirbt zwischen den Lippen, wenn man es, das Haus, gewahr wird. Das Wort erstirbt, aber das Haus enttäuscht nicht. (…)

25 Sitzreihen zu je 16 Plätzen, zwei Dutzend Wandsessel füllen den Saal, der jeweils ausverkauft, insgesamt rund 400 Menschen beherbergt.“

Oskar Rosenfeld

Krankenhaus, Wohnsitz Rumkowskis

Krankenhaus, Wohnsitz Rumkowskis, Lódź
Foto: Bildungswerk S.H., 2021
Im Gettokrankenhaus, Lódź
Im Gettokrankenhaus

Die jüdische Verwaltung des Gettos richtete frühzeitig eine Gesundheitsabteilung ein. Mitte 1940 existierten bereits fünf Krankenhäuser auf dem Gettogelände.

Die erbärmlichen Lebensbedingungen im Getto führten häufig zum Ausbruch gefährlicher Krankheiten und Epidemien, denen die jüdischen Ärzt*innen in den schlecht ausgestatteten Krankenhäusern nur wenig entgegensetzen konnten.

Die Krankenhäuser wurden auch zu Orten von Mordaktionen der deutschen Täter.

„Und wie viel Mühe und Geschick brauchte man, um ins Krankenhaus zu gelangen? Nach welcher Protektion musste man greifen, um ein Krankenhausbett zu bekommen, sei es auch nur auf dem Flur oder im Gang. Wie glücklich war eine Familie, wenn sie ihren Nächsten in die Krankenhauspflege abgeben konnte! Und nun plötzlich…“

aus der Chronik, 1.9.1942

„Zigeunerlager“

„Zigeunerlager“, Lódź
Foto: Bildungswerk S.H., 2014

„Zigeunerlager“ Archivfoto

Anfang November 1941 wurden etwa 5.000 burgenländische Roma nach Litzmannstadt deportiert und im Getto in einen kleinen, vom restlichen Getto streng getrennten Bereich gepfercht. Die Lebensbedingungen dort waren unerträglich schlecht. Etwa 600 Menschen starben innerhalb weniger Wochen an Flecktyphus.

Alle anderen wurden Anfang Januar 1942 im neu errichteten Mordlager Kulmhof/Chelmno in Gaswagen getötet. Überlebende gab es keine.

„Das Leben dort ist furchtbar, die hygienischen Bedingungen unmenschlich. Die Krankheit breitet sich Stunde um Stunde weiter aus, keiner wird wieder gesund. Die Kranken bekommen keinerlei Behandlung, es fehlt an Nahrung. Medikamente gibt es keine. Sie liegen dort, einer neben dem anderen, in ihrem eigenen Kot, und Läuse laben sich an ihren vor Fieber kochenden Körpern. Leichen neben den Körpern Lebender. Die Gerüche sind furchterregend. Schrecklicher Schmutz. Es gibt keine Worte im Lexikon der Menschheit, um die Todesqualen der Menschen in diesem Lager zu schildern.“

Irena Liebman, Jüdin im Getto

Radegast

Radegast
Foto: Bildungswerk S.H., 2014
Deportation
Deportation

Der Bahnhof Radegast (Radogoszcz) war ein wichtiger Warenumschlagplatz für Lebensmittel, Rohstoffe für die Gettobetriebe etc.

Er war auch der Ankunftsort für 20.000 „Westjuden“ aus Wien, Luxemburg, Prag und dem Deutschen Reich.

Ab Januar 1942 fuhren von hier die Deportationszüge mit Jüdinnen und Juden über Kolo nach Kulmhof/Chelmno, im August 1944 nach Auschwitz-Birkenau.

„Wir durchleben eine schreckliche Zeit. Tausende von Menschen erhalten Aufforderungen – sie sollen zur Arbeit verschickt werden. Die Menschen wissen aber schon, was sie davon zu halten haben und haben Angst. Und doch tröstet man sie: ‚Es ist doch auf Arbeit!’ Man wäre glücklich, wüsste man, dass es wirklich Arbeit ist. Und hofft, weil vielleicht doch … Und man ist auch schon gleichgültig, denn wir alle sind müde und zu Tode erschöpft.“

Les vrais riches, Notizen am Rand, Tagebucheintrag vom 19. Juni 1944

Nach oben scrollen