Gedenksteine Sobibór
1998 kam das Bildungswerk Stanisław Hantz schließlich mit Teilnehmer*innen einer Bildungsreise zurück nach Sobibór. Und von da an jedes Jahr wieder, manchmal mehrmals im Jahr. Von Besuch zu Besuch entfalteten sich mehr und mehr Gedanken und Gespräche darüber, wie man an diesem eindrücklichen Ort der Jüdinnen und Juden gedenken konnte, die hier in den Gaskammern ermordet wurden. Nicht eine unvorstellbare anonyme Opferzahl sollte im Mittelpunkt stehen, sondern der einzelne Mensch. Die Botschaft sollte sein: In Sobibór wurde keine namenlose Anzahl von Menschen getötet, sondern 180.000-mal ein Mensch. Ein Baum und davor jeweils ein Gedenkstein sollten an eine in Sobibór ermordete Person erinnern. Geburtsort und Geburtsdatum sollten auf einer an einem Gedenkstein angebrachten Tafel stehen und so den Menschen ein wenig ihre Geschichte zurückgeben. Die einzelnen Bäume sollten nach und nach zu einer Allee werden. Es sollte eine Gedenkallee entstehen.
Im Sommer 2003 wurde mit dem ersten Bauabschnitt der Aufbau der Gedenkallee begonnen. Ihr Verlauf sollte sich in etwa an dem Weg orientieren, den die Menschen zu den Gaskammern gehen mussten. Der ursprüngliche Verlauf des Weges zur Gaskammer war zu diesem Zeitpunkt nicht genau bekannt. Am 14. Oktober 2003, genau 60 Jahre nach dem Aufstand in Sobibór, wurde die Gedenkallee von dem Sobibór-Überlebenden Thomas Toivi Blatt eröffnet.
Seit dem Jahr 2004 beteiligte sich die niederländische Stichting Sobibór am Projekt Gedenkallee. Aus den Niederlanden wurden etwa 34.000 Jüdinnen und Juden nach Sobibór verschleppt und ermordet.
2005 wurde mit dem zweiten und letzten Bauabschnitt die Gedenkallee fertiggestellt. Eine Gruppe der Naturfreundejugend Nordrhein-Westfalen e.V. pflanzte die Bäume des 2. Bauabschnitts. Das Ende der Gedenkallee bildete ein massiver Stein. Auf ihm war zu lesen: „Die Gedenkallee endet hier. Zehntausende von Menschen, aus vielen verschiedenen Ländern, wurden gezwungen, diesen Weg zu gehen. Männer, Frauen und Kinder. Nicht weit von diesem Punkt wurde ihrem Leben ein abruptes Ende bereitet. Wer waren sie? Die erwähnten Namen entlang dieses Weges sind Zeugen für all die Menschen, die hier in Sobibór während des 2. Weltkriegs ermordet wurden. Die Namen halten ihr Leben und ihr Schicksal lebendig.“ Gleichzeitig wurde im Museum der Gedenkstätte ein Raum eingerichtet, in dem Biografien der in der Gedenkallee genannten Menschen nachzulesen waren.
Im Laufe der Jahre wurden über 300 Gedenksteine in der Gedenkallee aufgestellt. Für die Besucher*innen von Sobibór wurde die Allee zu einem Areal der Stille, der Einkehr und des Gedenkens. Der geschützte Weg zwischen den Fichtenreihen, dessen Ende sich erst nach der Biegung des Weges erschloss, das Lesen der Namen auf den Gedenksteinen ließ erahnen, welch grausames Geschehen an diesem Orte stattfand. Es entwickelte sich ein Gedenkort, wie wir es uns gewünscht hatten, aktiv bewahrend, ständig wachsend und breit getragen. Die Gedenkallee wurde auch ein Ort der Begegnungen und des gemeinsamen Gedenkens.
Im Zuge der Neugestaltung der Gedenkstätte wurde im September 2021 die Gedenkallee abgebaut. Nach Abschluss der Umbauarbeiten werden die Steine wieder an einem anderen Ort in Sobibór wieder aufgestellt.
Einen Film zur Gedenkallee können Sie hier sehen.
Weitere Informationen zu den Gedenksteinen in Sobibór: Sobibór.de/de/steine/
In seiner Reihe „Texte zur Aktion Reinhardt“ hat das Bildungswerk Stanisław Hantz e.V. eine Information zur Geschichte der Gedenkallee in Sobibór veröffentlicht.