Gedenkweg Sobibor

1996 besuchten Mitarbeiter*innen des Bildungswerks Stanisław Hantz e.V. zum ersten Mal die Gedenkstätte Sobibor. Was sie dort vorfanden, war ein abgeschiedener Ort, eine Gedenkstätte, die der Natur viel Platz ließ. Es war ein feuchter Wald, der mit seiner ungeheuren Stille die Massengräber umschloss. An diesem sprachlosen Ort war die Ermordung von etwa 180.000 Menschen nur schwer nachzuvollziehen.

1998 kam das Bildungswerk Stanisław Hantz schließlich mit Teilnehmer*innen einer Bildungsreise zurück nach Sobibor. Und von da an jedes Jahr wieder, manchmal mehrmals im Jahr. Von Besuch zu Besuch entfalteten sich mehr und mehr Gedanken und Gespräche darüber, wie man an diesem eindrücklichen Ort der Jüdinnen und Juden gedenken konnte, die hier in den Gaskammern ermordet wurden.  Nicht eine unvorstellbare anonyme Opferzahl sollte im Mittelpunkt stehen, sondern der einzelne Mensch. Die Botschaft sollte sein: In Sobibor wurde keine namenlose Anzahl von Menschen getötet, sondern 180.000-mal ein Mensch. Ein Baum und davor jeweils ein Gedenkstein sollten an eine in Sobibor ermordete Person erinnern. Geburtsort und Geburtsdatum sollten auf einer an einem Gedenkstein angebrachten Tafel stehen und so den Menschen ein wenig ihre Geschichte zurückgeben. Die einzelnen Bäume sollten nach und nach zu einer Allee werden. Es sollte eine Gedenkallee entstehen.

Im Sommer 2003 wurde mit dem ersten Bauabschnitt der Aufbau der Gedenkallee begonnen. Ihr Verlauf sollte sich in etwa an dem Weg orientieren, den die Menschen zu den Gaskammern gehen mussten. Der ursprüngliche Verlauf des Weges zur Gaskammer war zu diesem Zeitpunkt nicht genau bekannt. Am 14. Oktober 2003, genau 60 Jahre nach dem Aufstand in Sobibor, wurde die Gedenkallee von dem Sobibor-Überlebenden Thomas Toivi Blatt eröffnet.

Die Gedenkallee wurde ein Ort der Begegnungen und des gemeinsamen Gedenkens
Für die Besucher*innen von Sobibor wurde die Gedenkallee zu einem Areal der Stille, der Besinnung und des Gedenkens

Seit dem Jahr 2004 beteiligte sich die niederländische Stichting Sobibor am Projekt Gedenkallee. Aus den Niederlanden wurden etwa 34.000 Jüdinnen*Juden nach Sobibor verschleppt und ermordet.

Für die Besucher*innen von Sobibor wurde die Gedenkallee zu einem Areal der Stille, der Besinnung und des Gedenkens.

2005 wurde mit dem zweiten und letzten Bauabschnitt die Gedenkallee fertiggestellt. Eine Gruppe der Naturfreundejugend Nordrhein-Westfalen e.V. pflanzte die Bäume des 2. Bauabschnitts. Das Ende der Gedenkallee bildete ein massiver Stein. Auf ihm war zu lesen: „Die Gedenkallee endet hier. Zehntausende von Menschen, aus vielen verschiedenen Ländern, wurden gezwungen, diesen Weg zu gehen. Männer, Frauen und Kinder. Nicht weit von diesem Punkt wurde ihrem Leben ein abruptes Ende bereitet. Wer waren sie? Die erwähnten Namen entlang dieses Weges sind Zeugen für all die Menschen, die hier in Sobibor während des 2. Weltkriegs ermordet wurden. Die Namen halten ihr Leben und ihr Schicksal lebendig.“ Gleichzeitig wurde im Museum der Gedenkstätte ein Raum eingerichtet, in dem Biografien der in der Gedenkallee genannten Menschen nachzulesen waren.

Der Gedenkweg in Sobibór

Im Laufe der Jahre wurden über 300 Gedenksteine in der Gedenkallee aufgestellt. Für die Besucher*innen von Sobibor wurde die Allee zu einem Areal der Stille, der Einkehr und des Gedenkens. Der geschützte Weg zwischen den Fichtenreihen, dessen Ende sich erst nach der Biegung des Weges erschloss, das Lesen der Namen auf den Gedenksteinen ließ erahnen, welch grausames Geschehen an diesem Orte stattfand. Es entwickelte sich ein Gedenkort, wie wir es uns gewünscht hatten, aktiv bewahrend, ständig wachsend und breit getragen. Die Gedenkallee wurde auch ein Ort der Begegnungen und des gemeinsamen Gedenkens.

Für eine Neugestaltung der Gedenkstätte wurde ab März 2017 Sobibór und mit ihr auch die Gedenkallee für die Öffentlichkeit gesperrt. Das Gelände wurde für Jahre zur Baustelle. Bis 2023 konnten keine neuen Gedenksteine mehr in der Allee abgelegt werden. Bei der Neugestaltung wurde die Gedenkallee nicht in ihrer ursprünglichen Form mit ihren Serbischen Fichten und den individuellen Natursteinen mit den Plaketten übernommen. Die Allee in ihrer alten Form gibt es im neu gestalteten Museumsgelände nicht mehr, die Fichten wurden entfernt. Erhalten blieben im neuen Gedenkstättenkonzept die vorhandenen Natursteine der ehemaligen Gedenkallee. Die Plaketten wurden wegen ihrer Witterungsempfindlichkeit durch Edelstahlplatten ersetzt und die Namen neu eingraviert. Der Platz für die Gedenksteine verläuft nun entlang des Hauptweges im Außengelände des Museums Sobibór. Diese schnurgerade Diagonale vom Gedenkstätteneingang in Richtung Mordanlagen und Massengräber ist in Anlehnung an den umgebenden Waldboden sandig gestaltet. Sie wird schienenähnlich auf beiden Seiten mit zweifach verlaufenden Stahlbändern begleitet. Die Stahlbänder liegen jeweils im Abstand von etwa siebzig Zentimetern voneinander entfernt. In dem schmalen Sandband dazwischen liegen nun aneinander gereiht die Gedenksteine mit den Edelstahlplaketten, unterbrochen von passenden Leuchtkörpern. In diesem Gedenkweg sind derzeit etwa 400 Gedenksteine abgelegt und finden bei den BesucherInnen sichtlich Interesse.

Januar 2024

Ein neuer Stein wird im Gedenkweg aufgestellt.

Der Film zeigt die Gedenkallee (2003-2021)

Weitere Informationen zu den Gedenksteinen in Sobibor: sobibor.de

In seiner Reihe „Texte zur Aktion Reinhardt“ hat das Bildungswerk Stanisław Hantz e.V. eine Information zur Geschichte der Gedenkallee in Sobibor veröffentlicht. Die Broschüre können Sie hier lesen.

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