Gedenksteine in Sobibor – Aktuelle Situation

Sobibor, ein kleine, abgelegene polnische Bahnstation im heutigen Dreiländereck zwischen Polen, der Ukraine und Weißrussland. Zwischen Mai 1942 und Oktober 1943 endete hier das Leben von über 170.000 jüdischen Menschen im deutschen Mordlager Sobibor auf grausame Art und Weise. Sobibor gehörte zusammen mit Bełżec und Treblinka zu den Lagern, in denen die deutschen Nationalsozialisten im Rahmen der Aktion Reinhardt, in den Jahren 1942 und 1943 mindestens 1,5 Millionen Jüdinnen und Juden sowie mindestens 50.000 Sinti und Roma ermordeten.

Die deutschen Täter versuchten die Spuren ihrer Morde in den Lagern zu verwischen, verbrannten die Toten, rissen den größten Teil der Gebäude ab und bepflanzten die Gelände mit Pinien. Die Vernichtungslager schienen in Vergessenheit zu geraten. In Sobibor entstand erst 1965 eine Gedenkstätte, ein kleines Museum eröffnete 1993. Wenig erinnerte an das Leben der Opfer, erzählte von ihrem Schicksal, das durch Ausgrenzung und Verfolgung, an diesem abgeschiedenen Ort endete.

Neues Museum in Sobibor, 2021
Neues Museum in Sobibor, 2021

Im Jahr 2003 wich der Wald des Vergessens einer Allee der Erinnerung. Das Bildungswerk Bildungswerk Stanisław Hantz e.V. hatte die Erschaffung dieses Wegs initiiert, auf dem Bäume und Steine an in Sobibor Ermordeten erinnern.Bis zum Jahr 2014 wurden 312 Natursteine mit Namen aufgestellt. Es sind Namen von Menschen aus Polen, der ehemaligen Sowjetunion, den Niederlanden, Deutschland, Österreich, Tschechien, der Slowakei und Frankreich. Herkunftsländer, Orte, Straßennamen, Daten, Berufe und kleine persönliche Informationen ließen ihr Leben und ihr Schicksale näher rücken.

Seit fast zehn Jahren laufen nun bereits die Arbeiten, um den Gedenkort Sobibor neu zu gestalteten. Bereits 2008 wurde eine internationale Expertenkommission ins Leben gerufen, an der die Länder Polen, Niederlande, die Slowakei und Israel beteiligt waren. Diese Kommission entschied über die zukünftige Gestaltung des Ortes. Im Jahr 2012 wurde die Gedenkstätte zur Abteilung des staatlichen Museums Majdanek. Zu unserem Bedauern wurde die Gedenkallee in das Konzept der neugestalteten Gedenkstätte nicht mit aufgenommen. So wie die Gedenkmauer mit Informationstexten in verschieden Sprachen am Eingang der ehemaligen Gedenkstätte Sobibor sollte sie einer neuen Konzeption weichen.

Im Jahr 2020 wurde die neue Dauerausstellung in Sobibor in einem neu errichteten Museumsgebäude nach langjährigen Arbeiten und archäolgischen Untersuchungen eingeweiht. Das Museum ist seitdem ganzjährig geöffnet. Das Gelände der Gedenkstätte mit den Massengräbern blieb aufgrund der Arbeiten jedoch weiterhin für Besucher*innen geschlossen. In einem letzten Bauabschnitt wird zurzeit eine bis zu 2.80 Meter hohe Mauer gebaut, die den letzten Weg der Opfer zu den Gaskammern entlang führt sowie das Gräberfeld umfassen wird. Auch werden die Fundamente der ehemaligen Gaskammer mit einer Glasplatte im Boden für Besucher*innen sichtbar gemacht. Nach Abschluss dieser letzten Arbeiten soll die Gedenkstätte endgültig eröffnet werden. Geplant ist dies nach Auskunft der Gedenkstätte zum 79. Jahrestag des Aufstands der jüdischen Gefangenen im Mordlager, am 14. Oktober 2022.

Im September 2021 wurde die Gedenkallee aufgelöst. Der Weg, entlang dessen die Gedenksteine lagen, besteht seitdem nicht mehr – die Bäume wurden gefällt. Die Gedenksteine wurden von ihrem bisherigen Ort in der Allee weggeholt und an einem Platz auf dem Gedenkstättengelände zwischengelagert.

Als Mitinitiatoren mussten wir mit schwerem Herzen akzeptieren, dass die Gedenkallee seit September 2021 nicht mehr existiert. Gleichzeitig begrüßen wir die Entscheidung, die Gedenksteine selbst an einen neuen Ort in der Gedenkstätte zu legen. Den Planungen der Gedenkstätte Sobibor nach sollen die Namensschilder der 312 Gedenksteine zum 14. Oktober 2022 ersetzt und die Steine selbst entlang des Wegs vom Gräberfeld zum Museum gelegt sein.

In der Zukunft soll es dann auch wieder möglich sein, neue Gedenksteine aufzustellen. Dies war in den letzten acht Jahren leider nicht mehr möglich gewesen. Zum Ende des Jahres 2022 hin hat die Gedenkstätte Sobibor Gespräche in Aussicht gestellt, in denen über die Modalitäten für ein erneutes Aufstellen von Steinen gesprochen werden soll. Dann soll beispielsweise die Frage besprochen werden, wie viele Steine jährlich hinzukommen können und wie dies praktisch umgesetzt werden kann.

Bisher gibt es zu unserem Bedauern in der Dauerausstellung oder im Museum kein Informationsmaterial über die Gedenksteine in Sobibor. Auch wurde keine Zwischenlösung angestrebt, die ermöglicht hätte, dass die Steine bis zur Wiedereröffnung im Herbst 2022 für Besucher*innen des ehemaligen Mordlagers zugänglich sind. Wir werden uns aber dafür einsetzen, dass Besucher*innen der Gedenkstätte die Gedenksteine sehen können und sich im Museum über das Projekt der Gedenksteine informieren können.

Bildungswerk Stanisław Hantz e.V., Februar 2022

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