Thomas Toivi Blatt

Thomas Blatt war einer der knapp 50 Überlebenden des Aufstandes im Vernichtungslager Sobibór. Geboren 1927 im jüdischen Schtetl Izbica wird er mit 15 Jahren zusammen mit seiner Familie ins Vernichtungslager Sobibór deportiert. Mutter, Vater und Bruder sterben in der Gaskammer. Er selbst wird als „Friseur“ und später zum Sortieren der Kleider eingeteilt. Am 14.Oktober 1943 beteiligt er sich an der Revolte im Lager. Zusammen mit knapp 300 Häftlingen kann er fliehen. Mit drei Kameraden sucht er zunächst Schutz in den umliegenden Wäldern, dann bitten sie einen Bauern um Unterschlupf. Erst versteckt dieser sie in seiner Scheune. Wochen später versucht der Bauer jedoch alle drei zu ermorden. Einer stirbt. Thomas Blatt selbst wird von einer Pistolenkugel in den Kiefer getroffen. Weil er sich tot stellt, gelingt es ihm, mit dem ebenfalls nur verletzten Freund zu entkommen. Nach weiteren lebensgefährlichen Situationen wird Blatt schließlich von einer Partisanengruppe aufgenommen. Als 1944 Polen von der Roten Armee befreit wird, entschließt sich Thomas Blatt im Land zu bleiben. Erst 1959 emigriert er in die USA.

Doch Sobibór lässt ihn nicht mehr los. In den 70´er Jahren besucht er die Überlebenden des Aufstandes. In der damaligen Sowjetunion trifft er den Anführer der Revolte, Sasha Petschersky. 1983 fliegt er nach Deutschland, um den Prozess gegen seinen Peiniger in Sobibór, den SS-Mann Karl Frenzel, zu beobachten. Ein Freund überredet ihn zu einem Treffen mit dem SS-Mann. Das Interview, das er zusammen mit seiner damaligen Frau Dena führt, wird vom Stern-Magazin unter dem Titel „Der Zeuge und sein Mörder“ veröffentlicht.

Thomas Toivi Blatt

Jahrzehntelang reiste Thomas (Toivi) Blatt mehrmals im Jahr nach Polen. Er besuchte sein altes Heimatdorf Izbica und Sobibór. Seit den 60´er Jahren gab es dort nur eine riesige Skulptur und einen Gedenkstein mit geschichtsklitternder Inschrift: 250.000 Russen und darunter, in dünnerer Schrift, Juden, Polen und Zigeuner seien in Sobibór umgekommen. Auf dem ehemaligen Lagergelände befand sich zu dieser Zeit ein Kindergarten mit Spielplatz. Seine Forderungen nach einer Korrektur der Gedenkinschriften stießen in Polen zunächst auf taube Ohren. Um seinem Ansinnen mehr Gewicht zu verleihen, gründete er 1987 das „Holocaust Sites Preservation Comitee“ und gewann neben Jane Fonda und dem Gouverneur von Kalifornien auch mehrere US-Senatoren für seine Idee. Sieben Jahre und drei polnische Regierungen später hatte er Erfolg, der Kindergarten wurde geschlossen und die Räume in ein provisorisches Museum umgewandelt. Die Gedenktafeln mit den falschen Inschriften wurden entfernt und neue, mehrsprachige Tafeln aufgestellt. Bis in das Jahr 2015 hieß es dort, in Sobibór wurden 250.000 Juden und 1000 Polen ermordet. Im Zuge der Vorbereitung der Umgestaltung der Gedenkstätte Sobibor wurden die Inschriften im Jahr 2015 entfernt.

Bis kurz vor seinem Tod war Thomas Blatt als Vortragsreisender in den USA und Europa unterwegs. Zwei Bücher sind erschienen: „Nur die Schatten bleiben“ (auf deutsch), „Revolt in Sobibór“. 1987 kam „Escape from Sobibór“ mit Rutger Hauer in der Hauptrolle in die US-Kinos. Während der Dreharbeiten berieten Thomas Blatt und zwei andere Überlebenden des Sobibór-Aufstandes, Stanislaw Szmajzner und Esther Terner-Raab, den Regisseur. Interessant ist auch Tom Blatts eigener kleiner Dokumentarfilm. Darin konfrontiert er die Bürger seines Geburtsortes Izbica mit der Vergangenheit, ihrer Kollaboration mit den Deutschen und ihrem Antisemitismus.

Tomas Blatt ist am 31. Oktober 2015 in Santa Barbara, Kalifornien, verstorben.

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