Angehörige der deutschen Lagermannschaft von Bełżec quartierten sich zum Jahreswechsel 1941/42 in zwei Wohnhäuser ein. Die Gebäude waren etwa 500 Meter von der Mordstätte entfernt. Das Areal mit den Häusern nutzten sie als ihren Wohn- und Verwaltungsbereich. Neben den zwei Steinhäusern standen noch zwei Holzbaracken auf dem Gelände. Im Spätsommer 1942 ließen die Deutschen ein zusätzliches Wirtschaftsgebäude auf dem Areal errichten. Dort wurde eine Waffenkammer, Waschküche, ein Kohleschuppen und Abstellraum untergebracht. Für eines der beiden Häuser ist die Bezeichnung „Kommandantur“ überliefert. Neben Unterkunftsräumen befanden sich dort auch die Küche und ein Speiseraum, dieser diente auch als Aufenthaltsraum. Die „Kommandantur“ war der Ort, an dem bei den Mahlzeiten die Verteilung und Ausführung der Arbeit im Mordlager organisiert wurde. In den Gebäuden des deutschen Wohn- und Verwaltungsbereichs wurden die geraubten Wertsachen der ermordeten Jüdinnen und Juden gesammelt, bevor sie dann von dort aus abtransportiert wurden.
Nach Beendigung der deutschen Besatzung vermietete der ursprüngliche Besitzer, die polnische Eisenbahngesellschaft (PKP – Polskie Koleje Państwowe), die zwei Häuser wieder als Wohnraum. Seit 2010 stand die „Kommandantur“ leer. Im Hinterhof befand sich zudem noch das Wirtschaftsgebäude aus dem Jahr 1942, das ebenfalls leer stand. Im Laufe der Zeit konnten wir beobachten, wie Wohnhaus und Wirtschaftsgebäude zunehmend verwahrlosten. Es waren der Abriss des Hauses und eine damit verbundene Umnutzung des Geländes zu erwarten.
Wir teilten der PKP im September 2013 unser Kaufinteresse an der „Kommandantur“ mit. Dabei wiesen wir ausdrücklich auf die historische Bedeutung des Wohnhauses hin und unterstrichen unser Ziel, die Erhaltung der Gebäude mit einer entsprechenden pädagogischen Nutzung für die Erinnerungs- und Gedenkarbeit verbinden zu wollen. Nachdem die Gebäude und das dazugehörige Gelände im Flächennutzungsplan der Gemeinde Bełżec vom Wohnraum zur Gewerbefläche umgewidmet waren, wurde uns im April 2015 von der PKP mitgeteilt, dass ein Verkauf im Rahmen einer Auktion stattfinden sollte. Durch dieses Verfahren entstand die Möglichkeit, dass das Areal nicht an uns verkauft wird. Es bestand die Gefahr, dass die Gebäude und das Gelände eventuell nicht gesichert und bewahrt würden, sondern an einen beliebigen Meistbietenden gehen könnten. Schließlich wurde die Versteigerung für den 22. Juni 2015 festgesetzt. Bezeichnend war, dass in der Ausschreibung für die Auktion der historische Kontext zu den Gebäuden fehlte und stattdessen von „Bauland“ die Rede war.
Um uns an der Versteigerung beteiligen zu können, initiierten wir eine Crowdfunding-Kampagne. Die von der PKP aufgerufenen 33.000 Euro, plus Steuern, Gebühren, etc., konnten wir aus eigenen Mitteln nicht vollständig finanzieren. Die Resonanz auf unsere Kampagne war bemerkenswert und wir waren sehr zuversichtlich. Unser Aufruf verbreitete sich in unterschiedlichen Ländern und auch die internationale Presse berichtete darüber. Die internationale Resonanz veranlasste die PKP, die Versteigerung abzusagen und das Grundstück der polnischen Staatsverwaltung zu übergeben. Im November 2015 übergab das polnische Kulturministerium die zwei Gebäude und das dazugehörige Gelände dem Staatlichen Museum Majdanek, das für die Gedenkstätte in Bełżec zuständig ist. Im Juni 2021 wurde die grundrenovierte „Kommandantur“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Das Haus wird von der Gedenkstätte Bełżec für die Forschungs- und Bildungsarbeit genutzt.
In seiner Reihe „Texte zur Aktion Reinhardt“ hat das Bildungswerk Stanisław Hantz e.V. eine Information zur Geschichte des Wohn- und Verwaltungsbereichs der deutschen Täter in Bełżec veröffentlicht. Den Reader können Sie hier lesen.